Obstbäume verstehen lernen
Schneide mir meinen Obstbaum klein, schneide ihn runter – Ein Satz, den unser Baumwart ständig hört. Aber geht das überhaupt?
Obstbaumschnitt, ich schneide einfach was ich meine. – Lernen sie zumindest die Grundlagen des Obstbaumschnittes!
Mein Baum trägt mal viele, mal wenige Früchte. Der Baum taugt nichts! – Wirklich?
An dem Fleck wächst kein Baum, da ist eine Wasserader. – Ist das wirklich die Ursache?
Lernen sie Obstbäume besser verstehen.
1. Ein Baum lässt sich nicht klein schneiden!
Ein Satz den sie sich gut einprägen sollten. Denn die Unterlage bestimmt die Größe des Obstbaumes. Edelreiser wird dabei auf eine Baumunterlage veredelt. Die Veredelungsstelle (der dicke Knubbel am Stamm) sollte deshalb immer 10 – 15 cm überhalb des Erdniveaus liegen. Ansonsten wurzelt das Edelreiser an. Die Unterlage bestimmt nicht nur die Größe des späteren Obstbaumes, sondern fördert auch die Resistenz gegen Obstbaumkrankheiten. Außerdem wird die Sorte der Unterlage auf die Bodenart abgestimmt. Denn nicht jeder Obstbaum würde in Lehm und Sand gleichermaßen zurechtkommen.
Wenn sie einen Halbstamm oder Hochstamm kaufen, benötigt der Baum 10 m x 10 m. Platz zum Wachsen um genügend Licht und Nährstoffe zu bekommen. Ein Buschbaum benötigt 8m x 8m. Er wird oft auf die selbe Unterlage veredelt wie Hochstamm und Halbstamm, die Veredelungsstelle wird beim Buschbaum aber tiefer angesetzt. Dadurch wird der Baum etwas schwächer versorgt.
Spindelbäume werden auf schwach wachsende Unterlagen veredelt, das heißt, die Unterlage versorgt das Edelreiser nur mit wenig Wasser und Nährstoffen, der Baum bleibt klein. Spindelbäume benötigen 1,5 m x 1,5 m Platz und sind deshalb auch für kleine Gärten gut geeignet. Aus Spindelbäumen kann auch Spalierobst gezogen werden.
Solange der Baum seine Endgröße noch nicht erreicht hat, steckt er seine ganze Kraft in Grünwachstum. Das heißt aber auch, wird ein Baum stark zurückgeschnitten, wächst er im Folgejahr umso stärker wieder. Der Baum weiß, wie groß er werden muss! Sie können ihn nicht klein schneiden. Die vielen, oft großen, Schnittwunden führen eher dazu, dass Pilze in das Holz eindringen und der Baum abstirbt.
Fazit: Wenn sie einen kleinen Obstbaum möchten, müssen sie einen kleinen Obstbaum pflanzen. Kaufen sie in einer Baumschule und lassen sie sich über die richtige Unterlage für ihre Bodenstruktur beraten.
Die Sorte, das Edelreiser wird oft nach Wunsch gepfropft.
2. Lernen sie zumindest die Grundlagen des Obstbaumschnittes!
Immer wieder sieht man schlimm zugerichtete Obstbäume. Da wird der Haupttrieb gekappt, einseitig geschnitten oder der Baum auf seine Hauptäste zurückgeschnitten und somit allen Fruchtholzes beraubt. Deshalb hier ein paar Grundregeln für den Schnitt:
- Der Mittlere Trieb ist der Chef und wird nicht gekappt. Er ist dafür verantwortlich, dass die Nährstoffe aus dem Boden in den Baum gezogen werden. Er soll aber auch keine Nebenbuhler haben. Steht ein zweiter, meist schwächerer Mitteltrieb senkrecht in die Höhe, wird er bis auf den Haupt-Mitteltrieb abgeschnitten. (Siehe Zeichnung 1.)
- Ein Baum ist in Etagen aufgebaut. Je Etage sollen 3 – max. 4 Seitenäste stehen bleiben. Die nächste Etage sollte 30 cm höher liegen.
- Alle Seitenäste in einer Etage sollten die gleiche Länge haben, damit die Saftwaage gewährleistet ist. Saftwaage bedeutet, alle Seitenäste ziehen gleichberechtigt Nährstoffe. An diesen Seitenästen können sich dann viele Fruchtspieße entwickeln. Ein Fruchtspieß trägt das Obst.
- Alles was nach innen wächst, bekommt kein Licht und wird entfernt. (Siehe Zeichnung 3.)
- Alles was nach unten wächst bekommt keine Nährstoffe und wird entfernt. (Siehe Zeichnung 2.)
- Beim Einkürzen werden Äste immer auf ein nach außen stehendes Auge abgeleitet, damit der Ast weiter wachsen kann und Nährstoffe ziehen kann.
Man unterscheidet den Winterschnitt der dafür sorgt, dass die Gesundheit und die Blühfreudigkeit des Baumes erhalten wird. Im Sommer wird geschnitten, um die Bäume in Form zu halten.
Ein junger Baum benötigt einen Erziehungsschnitt = Die Baumform wird während des Wachstums festgelegt, bis der Baum seine endgültige Höhe erreicht hat.
Ein erwachsener Baum benötigt einen Erhaltungsschnitt = Es wird nur noch korrigierend mit wenig Schnitt eingegriffen. So wird das Fruchtholz ständig erneuert und der Baum trägt Früchte.
Ein alter Baum benötigt einen Verjüngungsschnitt. Das alte nicht mehr tragende Holz wird entfernt. = Der alte Baum wird einmalig! stark auf die Hauptäste zurückgeschnitten. Im Folgejahr treibt der Baum viele junge Äste. Die überzähligen jungen Austriebe werden im Juni des Folgejahres mit der Hand ausgerissen! Nur durch den Riss wird der Astring mit entfernt. Im Astring sitzen schlafende Augen, bei einem Schnitt würden sie nicht mit entfernt und im nächsten Jahr würde der Baum wieder Hexenbesen treiben. Der verbleibende neue Ast wird nun zum neuen Fruchttrieb.
Fazit: Nutzen sie ihre Mitgliedschaft im Gartenbauverein und lassen sie sich vom Baumwart ihres Vereins oder vom Kreisfachberater ihres Landkreises einen Baumschnittkurs geben.
3. Ein Baum alterniert, weil er weiß, wie viele Früchte er trägt!
Alternanz nennt man den Effekt, dass ein Obstbaum ein Jahr viele und Folgejahr wenige Früchte trägt. Die Stängel und Kerne des wachsenden Obstes senden Hormone an den Baum. Empfängt der Baum viele Hormone legt er Ende Mai/Juni für das nächste Jahr wenige Blüten an. Empfängt er wenige Hormone, weil er wenige Früchte trägt, legt er viele Blüten für das nächste Jahr an. So verhindert der Baum, dass er sich zu Tode trägt und frühzeitig abstirbt. Er haushaltet also mit seinen Kräften.
Um der Alternanz entgegenzuwirken, müssen wir die Früchte ausdünnen. Spätestens Mitte Mai sollten wir die Früchte pinzieren. Pinzieren heißt mit einer Pinzierschere überzählige Früchte abschneiden. Obst wächst immer in Büscheln am Baum, weil der Baum auch in Büscheln blüht. Würden wir alle Äpfel und Birnen hängen lassen, hätten wir kleine und saure Früchte. Und im nächsten Jahr dann eben sehr wenig Obst. Deshalb lässt man von jedem Blütenbüschel nur die stärkste und gesündeste Frucht stehen, der Rest wird weggeschnitten. Die nächste Frucht am Ast sollte erst wieder nach 20 cm wachsen. Bei Spindelbäumen sollten es gar nur 2 Früchte je Ast (nicht je Blütenbüschel) sein. Das heißt oft wird mindestens 2/3 des Fruchtansatzes entfernt! Dann setzt der Baum auch für das nächste Jahr wieder viele Blüten an. Das verbleibende Obst erhält mehr Nährstoffe und wird groß und gesund.
Fazit: Wer bis Mitte Mai seine Äfpel, Birnen und Pfirsiche ausdünnt, erhält regelmäßig schönes Obst. Kirschen, Zwetschgen und Quitten benötigen diese Behandlung nicht.
Pinzierschere oder Buchsbaumschere
Fruchtbüschel an Birne …… …. wird mit Pinzierschere ausgedünnt
Bei Früchten mindestens 20 cm Fruchtabstand
4. Baumwurzeln werden von Pilzen zersetzt!
Wenn ein Baum an einer bestimmten Stelle im Garten nicht gedeiht, liegt das oft daran, das dort vorher bereits ein Obstbaum stand. Die noch im Boden befindlichen Wurzeln werden von Pilzen zersetzt. Diese Pilze unterscheiden nun aber nicht zwischen den Wurzeln vom alten vor vielen Jahren abgeschnittenen Obstbaum und den Wurzeln eines neu gepflanzten Obstbaumes. Deshalb gilt die Regel, das nach Kernobst nur Steinobst gepflanzt werden soll und umgekehrt. Die Unterschiedlichen Obstbaumwurzeln werden auch von unterschiedlichen Pilzarten zersetzt.
Ein weiterer Grund für das nicht gedeihen von Obstbäumen an bestimmten Stellen im Garten kann die Bodengesundheit sein. Wurde an dieser Stelle mal Altöl entsorgt oder andere giftige Stoffe? Diese Stoffe bleiben Jahrzehnte im Boden. Eine Bodenprobe kann hier Aufklärung schaffen.
Es kann aber auch sein, dass die Stelle im Schatten oder im offenen Wind liegt. Obstbäume möchten in der Sonne stehen und wollen durch eine Hecke vor zu viel Wind geschützt werden.
Und zu guter Letzt sollte auch die Unterlage des Baumes auf den Boden abgestimmt werden. Pflaumen z. Bsp. werden oft auf die Unterlage „St. Julien A“ veredelt, weil diese Unterlage sich auch für schwere, feuchte Böden eignet. In Sandböden währe die Unterlage aber falsch gewählt.
Fazit: Nicht der Baum ist schuld, dass er nicht gedeiht, sondern die Bodenbeschaffenheit, die Standortbedingungen oder die falsch gewählte Veredelungs-Unterlage.
5. Keiner ist gerne alleine. Das Ding mit der Bestäubung.
Viele Obstsorten bestäuben sich nicht selbst, sie benötigen Pollen von einer anderen blühenden Sorte der selben Obstart. Dies geschieht, damit keine Inzucht entsteht. Der Obstbaum oder Beerenstrauch produziert seine Früchte in erster Linie um sich zu vermehren und nicht um uns schmackhaftes Obst zu bescheren. Und deshalb ist es das Ziel der Natur gesunden Samen zu produzieren. Deshalb benötigen mache Obstbäume und auch Beerensträucher eine sogenannte „Befruchtersorte“. Einen zweiten Apfelbaum etwa, welcher zur selben Zeit blüht. Dieser Baum könnte nun in Nachbars Garten stehen. Die bestäubenden Insekten fliegen zwischen den beiden blühenden Bäumen umher und bestäuben so mit der jeweils anderen Sorte die Blüten. Nun kann man sich aber nicht mehr darauf verlassen, dass in Nachbars Garten überhaupt noch Grün gedeiht. Deshalb empfehle ich bereits beim Kauf auf selbst fruchtende Obstsorten zu achten oder doppelt veredelte Obstbäume zu kaufen. Auch Beerensträucher danken es mit einem reicheren Fruchtbehang, wenn sie einen Befruchtungspartner zur Seite haben.
Viele Süß- und Sauerkirschen benötigen einen Befruchtungspartner, es gibt aber auch selbst befruchtende Sorten.
Äpfel, Birnen, Zwetschgenartige benötigen auf alle Fälle einen Befruchtungspartner, welcher zur selben Zeit blüht.
Pfirsiche und Quitten können sich selbst bestäuben. Aber auch hier wird der Fruchtbehang mehr, wenn eine Befruchtersorte gepflanzt ist. Als Faustregel gilt, eine Befruchtersorte sollte im Umkreis von 50 m stehen.
Bei Beerensträucher wie Johannisbeere oder Erdbeere ist es besser, die Sträucher stehen direkt nebeneinander.
Autorin: Petra Herbach